Die Reise nach Laski

"....Das Wetter ist sehr schön, die Sonne scheint und wir haben wunderbare 25° C. Ich bedanke mich, auch im Namen von Germanwings, bei Ihnen, dass Sie mit uns geflogen sind und wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Warschau." Das Flugzeug würde in Kürze auf dem Flughafen von Warschau landen. Am 22.Mai 2005 flogen wir, Christa Benz, Marcus Kuhn und zwei Schülerinnen - Malwina (18 Jahre) und ich, Giulia (14 Jahre) - von Stuttgart nach Warschau.

Im Frühjahr 2004 veranstaltete die Klavierschule Christa Benz ein Benefiz-Konzert für blinde Kinder in Laski. Laski ist ein kleiner Ort, ein kleines Dorf, nahe bei Warschau. Dort leben >Blinde, Sehende, Nonnen und "Nichtnonnen"<. Dieses Prinzip wurde von der Gräfin Elisabeth Rosa (beide Vornamen werden auf polnisch ganz anders geschrieben und ausgesprochen) Czacka (geboren am 22.10.1876) entwickelt. Ihre Augen waren nie sehr gut gewesen und als sie dann von einem Pferd stürzte und auf den Kopf fiel, erblindete sie vollständig mit 22 Jahren. Nach diesem Unfall schloss sie sich drei Tage in ihr Zimmer ein. Sie aß und trank nichts, ihre Tür blieb verschlossen. Man sagt, nach diesen drei Tagen trat sie als ein neuer Mensch aus ihrem Zimmer. Sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden und beschloss, Nonne zu werden. Dann gründete sie 1922 die Schule für Blinde. Sie wurde 85 Jahre alt und starb am 15. Mai 1961.

Durch das Benefiz-Konzert konnte Christa Benz 250 Euro nach Laski schicken und im Sommer 2004 konnten die Kinder eine Musikwoche in Norddeutschland am Meer verbringen. Natürlich nicht nur mit den 250 Euro, aber wir hatten wohl einen großen Beitrag dazu geleistet.

Die Leiterin der Musikschule, Ela Gorna (auch eine sehr gute Freundin von Christa Benz) hat uns dann als Dankeschön eingeladen, für fast eine Woche nach Laski zu kommen.

Wir landeten also in Warschau, wo uns Pani Ela schon erwartete, ("Pani" ist polnisch und bedeutet "Frau". In Polen ist es üblich, dass man fremde Menschen, Lehrer u.s.w. zwar mit Frau -oder Herr "Pan"- anspricht, doch dann folgt der Vorname und nicht der Nachname, wie bei uns. Pani Christa = Frau Christa. Malwina und ich nannten Ela Gorna also Pani Ela). Sie war sozusagen unsere Hauptperson, denn sie hatte ein Programm für uns vorbereitet, von dem wir zwar wussten, jedoch noch nicht einmal ahnten, was für schöne Dinge uns erwarteten....

Mit dem Auto fuhren wir vom Flughafen quer durch Warschau nach Laski, das ungefähr 15 km von Warschau entfernt ist. Dort angekommen, brachten wir unser Gepäck in die Zimmer. Anschließend zeigte uns Pani Ela den schönen Ort Laski....

In Laski gibt es ein Jungen- und ein Mädcheninternat, einen Kindergarten, ein Gästehaus, ein Krankenhaus, eine kleine Kapelle und vorallem: eine große Musikschule! Dort wird den blinden Kindern Klavier-, Geigen-, Flöten-, Gitarren- und Gesangsunterricht gegeben. Die Lehrerinnen und Lehrer sind extra dafür ausgebildet, blinde Kinder zu unterrichten.

Malwina und ich hatten vor der Reise Klavierstücke bekommen, die uns Pani Ela zugeschickt hatte, damit wir mit den Kindern musizieren konnten. Zwei Tage nach unserer Ankunft fand also um 16 Uhr das kleine Konzert statt. Kurz vorher konnten wir noch etwas mit den Kindern üben und uns kennenlernen. Wir waren sehr erstaunt, als wir sahen und hörten, wie gut die Kinder und Jugendlichen Klavier, Geige oder Flöte spielen können!!! Dann war es soweit. Wir spielten vierhändig mit den Kindern, spielten aber auch alleine die Stücke vor, die wir gerade im Unterricht bei Christa Benz erarbeitet hatten. Malwina begleitete eine Flötistin am Klavier, mit der sie sich gleich anfreundete und nun weiterhin mit ihr per E-Mail Kontakt hält. Auch die blinden Kinder spielten Solostücke auf dem Klavier. Ich muss ehrlich sagen, meine Nerven waren am Ende, als die 13-jährige Jessica, die erst seit drei Jahren Klavierunterricht hat und vollständig blind ist, ein Prelude von Frédéric Chopin vorspielte. Sie spielte so wunderschön - ich konnte es nicht glauben!!! Christa Benz hielt einen Vortrag über ihr Unterrichtskonzept und machte mit blinden Schülern einen kurzen Unterricht. Pani Ela übersetzte ins Polnische.

Wir besuchten die kleinen Kinder im Kindergarten, platzten in den Biologieunterricht einer Mittelstufenklasse hinein und übten an vielen verschiedenen Klavieren und Flügeln, die dort überall zur Verfügung standen, wobei uns bewusst wurde, wie gut wir es mit unseren gepflegten und schön klingenden Instrumenten in Stuttgart haben! Es wurden uns verschiedene Werk- und Handarbeitsräume gezeigt, sowie auch eine schöne Schwimmhalle, die von der schwedischen Königin gespendet wurde. Wir fuhren dreimal mit Pani Ela nach Warschau, waren dort in der Oper Aida von Verdi, besichtigten die Altstadt von Warschau, die Weltkulturerbe der UNESCO ist und vorallem: Wir waren in Zelazowa-Wola und besichtigten das Geburtshaus von Frédéric Chopin. Strahlender Sonnenschein in der wunderschönen Parkanlage und Chopin's Musik verzauberte uns.

Das und noch einiges mehr erlebten wir in diesen sechs Tagen! Vorallem lernten wir - vielleicht auch nur unbewusst - von den Menschen in Laski. Ich denke, wir werden diese Zeit nicht vergessen!

DANKE, LIEBE PANI ELA!!!

Stuttgart, im Juli 2005

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